Ablösung und Eingewöhnung – eine Herausforderung

Babys und Kleinkinder können Bindungsbeziehungen zu mehreren Personen entwickeln. Eine gute Eltern-Kind-Bindung wird durch die Betreuung des jungen Kindes in einer Kindertagesstätte, in der Spielgruppe oder bei einer Tagesmutter nicht verschlechtert. Diese Beziehungen sind unabhängig voneinander. Das heisst, ein Kind unterscheidet nicht nur zwischen den verschiedenen Bindungspersonen, sondern jede dieser Bindungen wird für sich aufgebaut und die Bindungsbeziehungen sind von unterschiedlicher Qualität. Sichere Bindungsbeziehungen unterstützen das Kind dabei, befriedigende soziale Interaktionen mit anderen Erwachsenen und Kindern (z.B. in Spielbeziehungen) zu gestalten – eine wichtige Grundlage für seine seelische Gesundheit.

Der Aufbau von Bindungsbeziehungen und Spielbeziehungen ausserhalb des vertrauten familiären Netzes stellt eine besondere Entwicklungsaufgabe und Entwicklungschance für Kleinkinder dar.

Daher ist es wichtig, dem Kind die Sicherheit zu geben, damit es die Betreuerin näher kennen lernen kann. Denn sie wird später bei Abwesenheit der Eltern die sichere Basis für das Kind sein. Es kann dann vertrauensvoll zu den anderen Kindern Kontakt aufnehmen und die Umgebung erkunden.

Das Kind und die Betreuerin müssen gegenseitig Vertrauen aufbauen können. Die Betreuerin kann jedoch nur dann auf das Kind eingehen, wenn die Eltern nicht dabei sind.

 
 

Loslassen heisst stärken

Können die Eltern loslassen, kann sich das Kind auf die Betreuerin und aufs Spiel einlassen und sich auch auf die anderen Kinder fokussieren. Das Interesse und die Neugier sind meistens da! 

Wichtig ist, dass dem Kind gegenüber kein Druck ausgeübt, sondern Sicherheit vermittelt wird. 

Es ist wichtig, was Mama und Papa beim innigen, aber kurzen Abschied in den ersten Wochen signalisieren: Zwischen den Botschaften „Ich verlass‘ dich schweren Herzens, du tust mir leid, aber es geht nicht anders“ und ,„Ich freu‘ mich drauf, dich heute Mittag abzuholen und bin gespannt, was du mir zu erzählen hast“ liegen Welten. Die erste macht hilflos und verhindert Kompetenzgefühle. Permanente ängstliche Fürsorge schadet Kindern, denn es wird nicht Fürsorglichkeit, sondern Angst weitergegeben.

 
 

Hilfestellung bei der Ablösung:

Die Eltern schenken dem Kind viel Ermutigung, indem es mit stärkenden Worten unterstützt wird: 

„Du bist jetzt gross und gehst allein in die Spielgruppe – ich bin stolz auf dich!“ 

  • Die Eltern erzählen dem Kind einen Tag vorher z.B. beim zu Bett gehen, dass es morgen in die Spielgruppe geht. 
  • Sie erzählen dem Kind auch, dass Mama oder Papa das erste Mal mit dabei bist. 
  • Die Begleitzeit soll mit jedem weiteren Spielgruppentag verkürzt werden. 
  • Die Eltern sollen dies mit dem Kind unbedingt vorher abmachen. Zum Beispiel: «Morgen bleibe ich bis zum Znüni.» Oder: «Ich gehe nach dem Singen.»
    Auch ein Abschiedsritual kann helfen. Zum Beispiel: zwanzig Küsschen, drei «give me 5».
  • Die Eltern sollen sich kurz und knapp verabschieden. Sie sollen nicht heimlich weggehen. Denn wenn sie unsicher sind, wird auch das Kind unsicher, es spürt die Haltung von Mama und Papa.

    Es ist wichtig, dass das Kind weiss, wann die Mutter oder der Vater geht.
    Die Mutter/der Vater soll den Abschied keinesfalls hinauszögern. Halte dich an die Abmachung, das erwarten wir Eltern auch später von den Kindern. Das Kind wird verunsichert, wenn man mehrmals sagt: „Gäll, ich gang jetzt“, mit der Erwartung in der Stimme, dass jetzt Protest kommen müsste. 
    Ein entschlossener Abschied ist für das Kind leichter zu bewältigen.

Wenn die Mutter/der Vater weiss, wie sie/er die Trennungssituation gestalten soll, um dem Kind bei der Loslösung zu helfen, wird sie/er viel ruhiger auf die Ängste des Kindes reagieren und selber besser loslassen können.

 
 

Weinen befreit

Tränen gehören manchmal zum Abschied. In der Regel kann das Kind aber schnell abgelenkt werden und der Trennungsschmerz dauert nur wenige Minuten.

Die Kinder dürfen traurig sein. Wir Betreuerinnen begleiten das Kind während dieser Phase und versichern den Eltern, dass wir uns melden, falls es dem Kind nicht gut geht. 

Viele Kinder können den Abschiedsschmerz besser bewältigen, wenn sie ihren Emotionen durch Tränen für einige Minuten freien Lauf lassen. 

„Du kannst sicher sein, dass das morgendliche Weinen beim Abschied
die Entwicklung deines Kindes nicht negativ beeiträchtigen wird“



Empfehlungen an die Eltern während der Begleit-Ablöse-Phase in der Spielgruppe:

  • Die Eltern können sich in der Nähe aufhalten, jedoch an einem für das Kind uninteressanten Ort und nicht an den Spielorten. Diese sind ausschliesslich für die Kinder.
  • Das Kind soll entscheiden, ob es sich am Spielgeschehen beteiligen oder ob es lieber noch bei den Eltern bleiben möchte. Sie drängen ihr Kind auf keinen Fall sich zu lösen und zu entfernen.
  • Die Eltern akzeptieren immer, wenn das Kind ihre Nähe sucht und sie lassen es auch wieder weggehen.
  • Die Eltern suchen nicht von sich aus den Kontakt zu ihrem Kind und vermeiden es, ihr Kind zu unterhalten oder mit ihm zu schmusen.
  • Die Eltern nehmen die Rolle des Zuschauers/des Beobachters ein und sollten sich zurückhaltend verhalten. Gerne kann man dem Kind erklären, dass die Spielgruppenleiterinnen während der Spielgruppe die Ansprechpersonen sind. 
 

Unser Ziel ist, die Ablösung bis zu den Herbstferien zu schaffen, damit sich eine gute Gruppendynamik bilden kann. Erfahrungsgemäss klappt das durch gegenseitiges Vertrauen und durch gute Zusammenarbeit bestens. 

 
 

Auszüge aus:
Kindergarten heute 10/2008, G.Haug-Schnabel/J.Bensel
klein und gross 06/2006
Kinderjahre, R.H. Largo
Kathi Egli, Kind und Bildung
Die Erzieherin-Kind-Bindung, F.Becker-Stoll/M.R. Textor
Die ersten Tage in der Krippe, H.-J- Laewen/B. Andres/E. Hédervari
Vom Baby bis zum Schulkind, L. Klein/H. Vogt
Quelle Zitat: Bericht LetsFamily.ch 8/2023
Bilder, (wenn nicht eigene): https://www.brenz-og.de/krippe-kindergarten/kita-abc/

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